Sonntag, 11. Januar 2015

Ein Besuch in China

In meinen 25 Jahren mit Polarexpeditionen habe ich gut 20 Antarktis-Stationen verschiedenster Nationen besuchen können, in manchen sogar einige Zeit gelebt. Allen Stationen ist gemein, daß sie einen, sobald man sie betritt, tatsächlich irgendwie in das jeweilige Land befördern. Die chinesische Station Great Wall ist eine der Stationen, die ich gesehen habe und an die ich mich gerne erinnere und wohin ich gerne zurückkehre. Es ist eine der inzwischen vier chinesischen Stationen in der Antarktis. 1999 war ich über zwei Monate auf King George Island und habe Great Wall regelmäßig besucht. Damals war es noch eine kleine Basis. Wundervolles Essen gab es dort. Der Stationsleiter hatte immer wieder dazu eingeladen und anschließend auch zu diversen chinesischen Schnäpsen und Likören. Hochprozentig war das, aber ich habe dennoch sehr gute Erinnerung daran...

Great Wall Station mit Flaggen anderer Nationen mit Staionen
auf King George Island

Gedenktafel zur Stationsgründung

Fast ein Muß mit einer chinesischen Vollcharter im Bereich der Antarktischen Halbinsel ist der Besuch der Great Wall Station. Als wir anlanden begrüßen uns einige Mitglieder des Sommerteams, die für ein paar Wochen in der Station sind und entweder wissenschaftliche Arbeiten durchführen oder mit logistischen Arbeiten im Stationsbereich beschäftigt sind. Sie führen unsere Gäste gruppenweise durch den Stationsbereich. Ein paar Arbeiter bauen an einer Stahlkonstruktion, wie es aussieht für eine neue Satellitenanlage. Vor der Werkstatt läuft der Motor eines Kranfahrzeugs warm und füllt die Umgebung mit scharf riechendem Dieseldunst. In der Werkstatt hockt ein Mechaniker mit großem Schraubenschlüssel oben auf einem Bulldozer und zieht Hydraulikleitungen fest.

Werkstatt und Stationsüberblick, Great Wall Station

Eine Stimmung von China...

... findet man an vielen Stellen zwischen den Gebäuden.

Sonst ist kaum einer zu sehen im Stationsbereich. Die Begeisterung über solche Besuche ist tatsächlich manchmal einseitig. Zweihundert Gäste im Laufe eines Vormittags, das bringt den normalen Betrieb einer eher kleinen Stationsmannschaft schon arg durcheinander. Nicht jeder mag das gerne. Unsere chinesischen Passagiere werden aber sehr freundlich empfangen, ein paar werden sogar in den privaten Unterkunftstrakt eingeladen. Ich bin sehr froh, daß die Atmosphäre dann doch ziemlich schnell herzlich wurde. Unsere chinesischen Passagiere sind eine großartige Gruppe. Interessiert, kooperativ, kommunikationsfreudig, und sehr dankbar für alles was wir gemeinsam unternehmen. Es hat auch uns im Expeditionsteam viel Freude gemacht, mit ihnen zu reisen.

Flüchtige Begegnung: Touristen und Techniker in Great Wall Station

Generationswechsel und Sinnbild für Chinas Entwicklung,
solche kleinen Schlitten für Transporte im Stationsbereich
gab es 1999, vor der SUV-Zeit, noch viele.

Rundgang zwischen den Stationsgebäuden

Offiziell ist während unseres Besuchs in Great Wall nur das zentrale Stationsgebäude für uns geöffnet. Dort befinden sich die Messe, Küche, Sporthalle, Videoecke und ein Ruhebereich mit Polstermöbeln. Alles sehr großzügig bemessen. Am späten Vormittag dringen köstliche Gerüche aus der Stationsküche. Ich erinnere mich sofort an die gemeinsamen Mahlzeiten vor fünfzehn Jahren, als sich Messe und Küche noch in einem anderen Gebäude befunden haben.
Essen ist ein sehr wichtiger Faktor für eine Überwinterung. Hier regt sich ein Gedanke im Hinterkopf: "Das riecht klasse, hier könnte ich einen Winter verbringen."

Ich möchte bleiben - bei den Düften, die aus der Küche in die Messe ziehen.

So sieht ein typischer chinesischer Esstisch aus - mit Drehscheibe in der Mitte.

Im großzügig angelegten Zentralgebäude von Great Wall.


Die Gemüselagerung war auch damals schon etwas problematisch. Manchmal ist es zu warm und zu hell, dann treiben die Zwiebeln aus, oder die Möhren schrumpeln weg. Zu kalt darf es auch auf keinen Fall sein, dann verderben Kartoffeln und alles andere. Es hilft nichts, von Zeit zu Zeit muß man alles durchsehen und Angeschimmeltes aussortieren. Das habe ich 1999 einmal mit dem Stationsleiter zusammen gemacht. In der Unterkunft der Sommermannschaft, die schon abgereist war, haben wir Zwiebeln und Kohlköpfe zur besseren Belüftung auf den Federrahmen der Bettgestelle ausgebreitet.

Temporäres Kartoffellager

Knoblauch, Lauch und Möhren brauchen regelmäßige Pflege.

Im jetzigen Lagergebäude befindet sich auch die Post. An zwei Tischen schnellen diverse Stempel in flinken Händen zwischen Stempelkissen und vielen Hundert Briefen und Umschlägen und Postkarten hin und her. Zack, zack, zack, geht das. Jeder Stempel akkurat aufgedrückt. Passagierhände ziehen die gestempelten Exemplare gleich weg. Der nächste wartet schon mit seinem Stapel Postkarten. Das wirkt eingeübt. Da müssen wohl doch schon ein paar Schiffe vor uns in der Saison zu Besuch gekommen sein.

Bereit für viele Hundert Briefe und Postkarten.

Zack, zack, zack - Stempeln im Akkord mit Passagierunterstützung.

Noch ein Foto - gerne mit Flagge.

Noch ein Fotomotiv...

... diesmal mit Wegweisern zu Heimatstädten in China.

Auf einem Platz vor der Post und einem weiteren auf der anderen Wegseite werden Fotos gemacht. Und wie fast immer wenn wir mit Chinesen reisen, wenn es irgendwann heißt Abschied zu nehmen dann müssen ganz dringend noch weitere Fotos gemacht werden. Seien es hier bei Great Wall auch nur die roten Container mit den chinesischen Schriftzeichen, die für CHINARE stehen: Chinese National Antarctic Research Expedition. Davor noch mal mit den neuen Souvenirs kuscheln oder der immer wieder beliebte Sprung in die Luft, der festgehalten werden muß. Damit wird die chinesische Station für einen Vormittag noch etwas mehr zu einem Stück China.





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